Erfahrungsbercht Sabbatical Südafrika

Erfahrungsbericht: Sabbatical in Südafrika

Erfahrungsbericht von Amrei, 26 : Sabbatical in Kapstadt, Südafrika

Amrei ist ausgebildete Sozialarbeiterin – sie schloss ihren Bachelor bereits 2020 an der Fachhochschule Potsdam ab. Nach den langen, Corona bedingten Reiseverboten, war es 2023 endlich soweit für sie, ihren langersehnten Auslandsaufenthalt umzusetzen. Von Anfang November 2023 bis Ende März 2024 engagierte sie sich in unserm Surf- und Bildungsprojekt in Muizenberg sowie in einer Schule für Kinder aus benachteiligten Hintergründen in Somerset West bei Kapstadt. Hier teilt sie ihre Erfahrungen:

Meine Motivation

Seit Beginn meines Studiums war es mein Wunsch, für eine Weile ins Ausland zu reisen. Ich wusste durch Freunde und Bekannte, dass Südafrika ein Reiseziel mit einer bewegten Geschichte, Kultur und einer vielseitigen Landschaft ist, wodurch mein Interesse geweckt wurde. Immer wieder habe ich während meines Studiums nach Möglichkeiten gesucht Reisen und Arbeiten in einem anderen Land zu kombinieren. Durch Corona konnte ich nicht direkt im Anschluss meines Bachelors losreisen und fing zunächst an zu arbeiten.

Nach 3 Jahren Berufserfahrung in der Schulsozialarbeit, interessierten mich zudem auch Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Hilfesystems in der Theorie und Praxis. Zudem wollte ich mich persönlich herausfordern und raus aus dem Komfort und der Illusion, dass der hohe Lebensstandard wie ich ihn hier in Deutschland mit einem monatlichen Einkommen, einer Wohnung und einer stabilen Familienkonstellation besitze, die Realität für die meisten Menschen darstellt.

Konkrete Erfahrungen und Erlebnisse habe ich mir vorher eigentlich nicht erhofft. Mein Ziel war es, am Ende der Zeit mit einem Rucksack voller neuer Erlebnisse und Erfahrungen wieder in die Heimat zurückzukehren, mein Leben zu Hause zu reflektieren und mich weiterzuentwickeln.

Meine Aufgaben und Einsatzgebiete:

Im Surfprojekt gehöret zu meinen Aufgaben:

  • Zeit im Wasser mit den Kindern gestalten, Fokus lag auf Spaß am Lernen, Spiel, Beziehungsarbeit mit dem Ziel: Surfen lernen, Angst vor dem Wasser nehmen, ein Umweltbewusstsein schaffen
  • 1 zu 1 Betreuung bei Lernunterstützung und Hausaufgaben (maths and reading)
  • Wahrnehmung und Förderung von Stärken und Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen um Zukunftsperspektiven zu schaffen
  • Aufbau und Vorbereitung einer Surf Competition für die Kinder
  • Ein sicheres und sorgenfreies Umfeld schaffen

In der Schule unterstützte ich diese Aufgaben:

  • Unterrichtsbegleitung
  • Einzelgespräche mit Kindern aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten
  • (Pausen-)Angebot für Kleingruppen
  • Erarbeitung, Durchführung und Auswertung von Fragebogen im Fach „Life Orientation“ zur Erfassung der Herausforderungen und Ressourcen der Kinder in der Schule und Zuhause um passende Angebote zu schaffen
  • Telefondienst Rezeption
  • Lehrmaterial vorbereiten (Grade R)
  • Vorbereitung und Aushilfe bei Schul- und Sportevents
  • Durchführung von Beurteilungsgespräche mit Sponsorshipbewerber*innen (Schulgeld) und deren Kindern (unter Anleitung)
  • Wandgestaltung auf dem Pausenhof
Erfahrungsbericht Sabbatical Südafrika

Meine schönstes oder außergewöhnlichstes Erlebnis?

Mein schönstes Erlebnis beim Surfprojekt war die Surf Competition. Sie wurde vom Projekt organisiert, weshalb wir als Freiwillige auch Einblick in die Planung hatten. Die Kinder waren total aufgeregt und haben sich so auf ihren Einsatz gefreut. Dadurch, dass auch Kinder aus anderen Organisationen angetreten sind, gab es ein richtiges Teamgefühl unter „unseren“ Kindern. Sie haben sich gegenseitig angefeuert und sich gefreut, wenn jemand eine gute Welle bekommen hat. Alle waren daran interessiert, eine gute Zeit zu haben und genau mitzubekommen, wie die anderen Kinder abschnitten, weshalb es nicht zu Ausrastern oder Streitigkeiten untereinander kam. Bei der Siegerehrung konnte man in viele stolze Gesichter schauen und ich hatte das Gefühl, dass alle an dem Tag etwas gewonnen hatten, auch wenn man nicht einen der ersten drei Plätze belegte. Die Surf Competition war am Ende meines Einsatzes, kurz vor der Sommerpause und für mich ein sehr gelungener Abschluss.

Eine schöne Erfahrung an der Schule war die Entwicklung der Arbeit mit einem Mädchen aus dem Kinderheim des Projektes. Sie hatte Schwierigkeiten, dem Unterricht lange zu folgen und hatte regelmäßig Wutanfälle während des Unterrichts. Das führte natürlich dazu, dass die Lehrerin andauernd unterbrochen wurde und sich nicht mehr auf die Aufgaben oder die anderen Kinder konzentrieren konnte. In der Woche, in der die Schulsozialarbeiterin in der Schule war, erfuhr ich ein bisschen über den Hintergrund des Mädchens und fing an, mit ihr Gespräche zu führen. Es war offensichtlich, dass sie die ungeteilte Aufmerksamkeit genoss und für sich nutzte. Am Ende meines Einsatzes war sie nach wie vor sehr auffällig im Verhalten, aber sie ließ sich schneller aus ihren Wutanfällen rausholen, wurde nicht so schnell eifersüchtig und hatte vermehrt “gute” Schultage. Ich habe in der Schule hier in Deutschland nicht die Zeit, einzelne Kinder im Unterricht zu begleiten und sie auch mal Zuhause (in dem Fall das Kinderheim) zu erleben. Ich bin mir auch bewusst, dass die Zuwendung der Lehrerin, die Zeit, sich an die neue Form von Unterricht zu gewöhnen und persönliche Entwicklungsschritte eine große Rolle in ihrer Verhaltensänderung spielen. Und trotzdem war die Erkenntnis für mich interessant, wie sich durch Kleinigkeiten wie Geduld und Interesse am Kind, Veränderungen in ihrem Verhalten erkennbar waren. Ich nehme aus dieser Erfahrung mit, dass nicht immer große Veränderungen notwendig sind, um eine Situation zu entlasten. Vor allem, wenn man einen begrenzten Handlungsspielraum hat.

Perspektivenwechsel: Wie hat sich mein Bild von Südafrika verändert?

Es fiel mir vor meiner Reise sehr schwer, mir vorzustellen, wie die Leute und das Land sein werden. Ich habe mich viel informiert, mich belesen, Filme und Dokumentationen geschaut und mich mit Leuten unterhalten die bereits dort waren und bis auf den Aspekt der Kriminalität und der wunderschönen Landschaften unterschieden sich diese Informationen teilweise voneinander, sodass ich eher Hoffnungen als genaue Vorstellungen hatte. Auch jetzt fällt es mir schwer, eine Beschreibung von „Südafrikanern“ oder Südafrika (zumindest den Teil den ich erlebt habe) kurz zu fassen. Ich finde, Südafrika ist so vielfältig, dass man eine ganze Weile im Land unterwegs sein kann, ohne sich mit dem auseinanderzusetzen zu müssen, was auch einen großen Teil der Realität ausmacht, aber vllt. nicht der Schwerpunkt der Reise ist.

Zwei Beispiele für Dinge, deren ich mir vor meines Aufenthalts nicht bewusst war, ist zum einen, was für eine Geschichte die „coloured“ People in Kapstadt haben und wie groß der Bevölkerungsanteil ist. Allgemein die verschiedenen Bezeichnungen für Menschen aufgrund der unterschiedlichen Hautfarbe und Herkunft war für mich etwas neues und zunächst befremdliches.

Eine zweite Sache, die mir bei der Arbeit, aber auch im alltäglichen Austausch mit Einheimischen aufgefallen ist, ist der Umgang mit Situationen, die ich persönlich als enttäuschend bewerten würde. Solche Situationen wurden hingenommen, nicht groß hinterfragt, kaum besprochen und akzeptiert. Auch das Streben nach persönlichem Erfolg spielt eine andere oder zumindest für mich manchmal nicht erkennbare Rolle. Ungerechtigkeiten, Lebenssituationen, Aussichtslosigkeit werden teilweise einfach hingenommen, anstatt sich zu informieren, welche Möglichkeiten es gäbe, bessere Chancen zu erlangen oder für sich einzustehen. Wenn eine Chance geboten war, wurde sie zwar ergriffen, aber sich selbst eine zu erarbeiten oder Ehrgeiz zu zeigen war auffallend selten zu erleben im Vergleich zu dem, was ich von Zuhause kenne.

Hat sich dein Blick auf Deutschland geändert? Gibt es etwas, was du nach deinen Auslandsaufenthalt jetzt anders wahrnimmst, mehr schätzt oder aus einer anderen Perspektive siehst?

Was ich mehr schätze:

  • den Aspekt der Sicherheit, sich zu jeder Tages- und Nachtzeit frei von A nach B bewegen zu können
  • Die Aussicht auf einen Job mit fairen Arbeitsbedingungen und eventuelle Weiterbildungs- oder Aufstiegsmöglichkeiten

Dann hatte ich das Gefühl, häufiger als Zuhause, anhand meines Verhaltens und meiner Taten und weniger meiner Rolle, meinem Aussehen oder Fakten wie Alter oder meines Abschlusses bewertet zu werden. Das ist eine Sache, die mich sehr überrascht hat, derer ich mir davor kaum bewusst war und die ich selber gerne noch mehr leben möchte.

Gibt es etwas, was du dir anders vorgestellt hast oder dir anders gewünscht hättest?

Ich fand es erstaunlich, wie fortschrittlich Soziale Arbeit in der Theorie in Südafrika ist und wie groß der Unterschied zur Umsetzung in der Praxis ist. Ich hätte mir in der Schule einen Sozialarbeiter oder eine Sozialarbeiterin als Anleitung oder zumindest als Ansprechperson gewünscht. Die Sozialarbeiterin verliess die Schule leider kurz nach meiner Ankunft. Ich hatte mir sehr erhofft, mehr über das Hilfesystem und die Strukturen zu erfahren. Ich profitierte den Rest meines Projektes noch von der einen Woche, in der die Sozialarbeiterin an der Schule war. Der Austausch mit ihr und sie in Gesprächen mit Kindern, Familien und Kollegen zu begleiten gab mir Orientierung, was mir zwischendurch immer wieder fehlte. Außerdem gab sie mir einen Einblick, welche Vorgehensweisen eingehalten werden müssen, was für Möglichkeiten Sozialarbeiter dort haben, aber auch an welche Grenzen sie in dem System stoßen.

Meine Unterkunft

Während der Mitarbeit im Surfprojekt habe ich im Soul Surfer Hostel gewohnt. Ich hatte ein 4- Bett Zimmer und großes Glück mit meinen Mitbewohnerinnen, die Lage war toll und die Ausstattung sehr Zimmer einfach, aber okay.

Während der Mitarbeit in der Schule habe ich im Ortsteil Strand in der Wohnung von Patricia gewohnt. Wir waren eine 12er WG und haben uns super verstanden. Wir wurden schon nach kurzer Zeit zu Freundinnen und wir haben viel gemeinsam unternommen. Patricia war eine tolle Unterstützung und Ansprechpartnerin, die man bei allem Fragen konnte. Die Wohnung war sauber, man hatte einen tollen Ausblick und ich habe mich dort sehr sicher gefühlt. Als Dinge fehlten oder kaputt gingen, wurde schnell für Ersatz gesorgt. Dank Patricia wussten wir immer, was in der Gegend los ist und was es zu besichtigen gibt.

Die Betreuung durch das live&learn

Besonders hilfreich fand ich die Unterstützung bei der Visumsverlängerung, vielen Dank dafür! Auch zu wissen, dass ich mich bei Fragen jederzeit an euch hätte wenden können, hat mir ein gutes Gefühl gegeben. Ich bin sehr froh, dass ich in zwei verschiedenen Projekten in diesen Abständen und für die jeweilige Zeitspanne war. Danke, dass du mir diesen Vorschlag gemacht und es dann gemeinsam mit mir herausgearbeitet hast, Antje

Du bist auf der Suche nach einem Sabbatical oder Freiwilligenarbeit im Bereich Sport oder Bildung?

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