08 Okt. Erfahrungsbericht: Sabbatical und Praktikum in Kapstadt – Krankenhaus für Seevögel und Kindergarten
Erfahrungsbericht von Paula-Mae, 22, Tiermedizinstudentin: Sabbatical und Praktikum in Kapstadt
Paula-Mae studiert Tiermedizin an der FU-Berlin und wollte im Rahmen eines Sabbaticals für sich entscheiden, ob ihr gewähltes Studium tatsächlich das richtige für sie ist. Da sie schon immer einmal nach Südafrika wollte, verband sie einen Urlaub mit einem Freiwilligendienst in einem Kindergartenprojekt bei Kapstadt sowie einem tiermedizinischen Praktikum in einem Krankenhaus für Pinguine und Seevögel in Kapstadt.
Hier erzählt sie von ihren Erfahrungen:
Motivation
Um ganz vorn anzufangen, wollte ich immer schon nach Südafrika reisen .. ich weiß nicht 100% warum, aber es war immer schon einer meiner Träume. Hinzu kam Ende letzten Jahres, dass meine Zweifel an dem von mir gewählten Studium, Veterinärmedizin, größer wurden und ich mich gefragt hatte, ob das nach wie vor das Richtige für mich ist oder ob ich lieber Psychologie studieren möchte. Darum hatte ich mich entschieden Praktika zu machen und wie es das Leben dann so wollte, habe ich wieder mehr an Südafrika gedacht und nach passenden Projekten und Praktika geschaut. Ich wollte gern beide meiner Interessenbereiche abdecken und hatte mir auch insgeheim erhofft dort eine Antwort auf die vielen Fragen in meinem Kopf zu bekommen und wieder mehr zu wissen und auch zu spüren, was ich mit meinem Leben machen möchte. Ich habe mir viel von Südafrika erhofft und spoiler – all meine Erwartungen wurden nicht nur erfüllt, sondern weit übertroffen.
Aufgaben
Ich habe einen Teil meiner Zeit im Kindergartenprojekt verbracht und den anderen Teil bei einem Krankenhaus für Pinguine und Seevögel, dementsprechend waren meine Aufgaben recht unterschiedlich und vielfältig.
In meiner Zeit im Kindergarten ging es hauptsächlich darum, den Unterricht der Kinder mitzugestalten, mit ihnen zu spielen und zu basteln und sich einfach herzlich um sie zu kümmern. Ich habe sie mit gefüttert, falls nötig, sie beaufsichtigt, mit ihnen gebastelt und gespielt, sie zum Schlafen gebracht und einiges mehr. Ich wurde in alle Aufgaben eingeführt und war bis auf vereinzelte Ausnahmen nicht lange mit den Kindern allein. Alle, sowohl Erzieherinnen als auch Kinder, haben mich von Tag 1 wortwörtlich mit offenen Armen aufgenommen, sodass ich mich direkt wohl und willkommen gefühlt habe.
Beim Krankenhaus für Pinguine und Seevögel habe ich durch meine Vorerfahrungen mit dem Studium ein Praktikum absolviert. Währenddessen durfte ich bei Operationen zuschauen, Pinguine zurück in die freie Natur entlassen, im Alltag bei Check-Ups und sonstigen Untersuchungen zuschauen und unterstützen, Laborarbeit machen und alles wobei in den einzelnen Momenten eben noch ein paar zusätzliche Hände benötigt wurden.
Auch hier waren alle sehr lieb – dadurch, dass hier mehr Menschen arbeiten und das System einfach ein anderes ist, muss man hier mehr sein Engagement zeigen, um viele Aufgaben zu bekommen und viel zu erleben. Es ist ein ganz tolles Team und man kommt gut in seine Arbeit rein, wie sollte es auch anders sein bei der Arbeit mit solch tollen Tieren.
Highlights
Ich würde sagen mein schönstes Erlebnis war außerhalb der Zeit der Projekte bei einem der vielen Ausflüge, die ich mit einer meiner Mitbewohnerinnen erleben durfte. Wir sind nach der Arbeit in unseren jeweiligen Projekten einen Tag nach Betty’s Bay und Hermanus gefahren und auf dem Rückweg war dieser unglaublich wunderschöne Sonnenuntergang, sodass wir aus dem Auto ausgestiegen sind, um ihn beide bewundern zu können. Wir, in dieser unfassbaren Zeit, nach einem unfassbaren Tag sowieso schon sehr glücklich, sagen: „Das i-
Tüpfelchen des jetzigen Moments wäre es, wenn jetzt hier Wale entlang schwimmen würden.“ … und plötzlich waren sie da, schwammen direkt vor uns die Küste entlang.
Ich durfte mehrere solcher unglaublichen Momente in meiner Zeit in Südafrika erleben und das war einfach nur magisch.
Auch während der Projekte gab es verschiedene Highlights .. im Kindergarten tatsächlich der Abschied, an dem ich für alle Kinder Armbänder gebastelt hatte und sie mir einen lieben Brief geschrieben und gebastelt hatten. Der Tag war traurig und sehr herzlich zugleich.
Beim Krankenhaus für Seevögel und Pinguine gehört der Release der 26 Pinguine definitiv zu meinen Highlights – diese Tiere wieder gesund zurück in ihre natürliche Umgebung entlassen zu dürfen, war einfach nur unglaublich und genau das, wofür alle bei SANCCOB arbeiten. Ich bin sehr dankbar, dass ich das miterleben durfte.
Konntest du deine persönlichen Ziele erreichen?
Definitiv! Ich habe gemerkt, dass die Tiermedizin definitiv das Richtige für mich ist. Nicht, weil mir die Arbeit mit Menschen doch keinen Spaß macht oder weil mich die psychologischen Hintergründe verschiedener menschlicher Verhaltensweisen nicht interessieren, sondern einfach, weil ich gemerkt habe, wie viel Spaß mir die professionelle Arbeit mit Tieren bringt.
Erst nach meinem Aufenthalt in Südafrika habe ich realisiert in welchem Hamsterrad ich zuvor in Deutschland gelebt habe und dass ich emotional völlig abgestumpft war. Diese Zeit hat mir gezeigt, wer ich wirklich bin und sein möchte und wie es sich anfühlt, wieder zu wissen, wo man hingehört.
Hinzu kommt, dass ich durch meine Arbeit und die Lebenseinstellung der südafrikanischen Menschen gelernt habe, meinen eigenen Druck, den ich mir in vielen Situationen meines Lebens selbst auferlege, rauszunehmen. Nur weil ich jetzt mein Studium fortsetze, heißt das nicht, dass ich nie wieder was anderes machen kann oder später nicht noch ein Fernstudium o.ä. der Psychologie anschließen kann. Ich habe wieder gelernt, dass es sich gut anfühlt, zwar einige Dinge zu planen, aber manches im Leben auch einfach auf sich zukommen zu lassen und das Beste aus der individuellen Situation zu machen.
Hat dich deine Mitarbeit im Projekt für deine Berufswahl / beruflichen Werdegang inspiriert?
Das hat sie – was ja auch zum Anfang meine Hoffnung war. Sowohl das Kindergartenprojekt als auch die Arbeit bei im Krankenhaus hat mir sehr viel Spaß bereitet. Ich habe aber für mich gemerkt, dass mir auf professioneller Ebene die Arbeit mit Tieren noch mehr Freude bereitet und das das ist, wo ich mehr aufgehe und was ich machen möchte. Insofern durfte ich an beiden Stellen wertvolle Erfahrungen sammeln, aber darüber hinaus mir selbst noch eine Frage beantworten, was zum jetzigen Punkt meines Lebens sehr wichtig war, denn jetzt habe ich mir selbst eingestanden, dass es der richtige Weg für mich ist, im Oktober das Studium der Tiermedizin fortzusetzen.
Und selbst wenn ich später noch etwas anderes machen möchte… kann ich immer noch ein Fernstudium in der Psychologie beginnen o.ä. – das Leben kommt so, wie es kommen soll, wenn man lernt auf sein Bauchgefühl zu hören.
Wie hat sich dein Bild von Südafrika verändert, bzw. wie hast du dir vor deiner Zeit in Südafrika das Land vorgestellt und was ist anders?
Ehrlicherweise hatte ich keine so konkreten Vorstellungen von Südafrika. Ich hatte mich auf eine beeindruckte Tier- und Pflanzenwelt gefreut und das wurde mit einer großen Vielfalt an Tierarten und Landschaften übertroffen. Politisch und gesellschaftlich war ich mir über die Probleme des Landes und der Menschen bewusst, aber konnte mir nicht so gut vorstellen, welche Realität mich erwarten würde.
Denn die Realität war, dass mir ausnahmslos alle Menschen dort trotz ihrer Probleme, die eine bedeutend andere Tiefe hatten, als viele hier in Deutschland, mit einer Freundlichkeit, Herzlichkeit, Offenheit und Lebensfreude begegneten, wie ich es hier selten erlebe.
Das hat mich von Anfang an sehr beeindruckt… gerade, weil auch eins der ersten Dinge, die man sieht, wenn man ankommt, die Townships sind, in denen so viele Menschen leben müssen und sie trotzdem versuchen, aus dem was sie haben das Beste zu machen bzw. positiver mit allem umgehen, als viele Menschen hier, die keine Grundsatzprobleme haben. Nichtdestotrotz ist die Kriminalitätsrate natürlich hoch, das wusste ich vorher und je nachdem wo man sich aufhält, merkt oder sieht man das auch vor Ort deutlich. Hält man sich aber an gewisse Regeln, ist das ein nur halb so großes Problem für einen selbst – mein größter Wunsch ist, dass die Menschen dort mit der Zeit ebenso eine bessere Perspektive bekommen.
Hat sich dein Blick auf Deutschland geändert? Gibt es etwas in Deutschland, was du durch deinen Auslandsaufenthalt jetzt anders wahrnimmst, mehr schätzt oder aus einer anderen Perspektive siehst?
Definitiv.. ich habe nochmal mehr realisiert, wie wahnsinnig privilegiert wir in Deutschland sind mit allem was wir haben. Wir wurden einfach dort reingeboren, wo es natürlich auch Probleme gibt, uns aber von der Geburt an viel mehr Türen offen stehen. Des Weiteren habe ich mitgenommen, dass wir alle viel dankbarer sein dürfen – für viele ist zu viel selbstverständlich, weil sie gar nicht realisieren, wie es woanders ist. Ich bin sehr dankbar mal aus meinem kleinen Horizont rausgekommen zu sein und nun auch andere Menschen in meinem Umfeld regelmäßig daran erinnern zu können, wie gut wir es haben und dass man vielleicht nicht ständig über die kleinsten Kleinigkeiten meckern oder sich über alles beschweren sollte.
Einer der wichtigsten Punkte ist für mich das Gemeinschaftsgefühl und die Herzlichkeit aus Südafrika ein Stück mit nach Deutschland zu nehmen. Hier ist vieles sehr privat, jeder kümmert sich nur um sich und sein Leben, jeder „Fremde“ wird erstmal beäugt, wenn ich es überspitzt ausdrücken darf. Die Offenheit anderen Menschen gegenüber und das Wir-Gefühl aus Südafrika vermisse ich in Deutschland und versuche es mit hierher zu nehmen sowie generell die Positivität zum Leben und anderen Menschen.
Gibt es etwas, dass du in Deutschland beibehalten möchtest?
Meine Einstellung und Denkweisen wurden schon bedeutend durch meinen Südafrika-Aufenthalt geprägt. Hinzu zu den oben genannten Punkten kommt, dass ich für mich selbst gelernt habe, dass ich mir selbst mehr vertrauen kann, als ich es immer getan habe und selbstbewusster durch die Welt gehen darf, da ich gemerkt habe, dass ich auch allein ohne auf die Meinung von anderen zu hören, ziemlich viel erreichen kann. Und genau das sind Punkte, mit denen ich seit meiner Kindheit immer wieder zu tun und meine Schwierigkeiten hatte und daher bin ich umso dankbarer, dass diese Zeit mir auch hier einen Schubs in die richtige Richtung gegeben hat.
Nicht umsonst habe ich mir genau hier ein Tattoo stechen lassen, dass mir bereits seit mehreren Jahren durch den Kopf schwirrte… „believe in yourself“ – mein nun täglicher Reminder und das noch aus einer Zeit, in der ich es das Erste Mal geschafft habe, wirklich an mich zu glauben.
Unterkunft
Während meiner Zeit im Kindergartenprojekt habe ich in einer WG mit vier weiteren Freiwilligen in Strand gewohnt. Die Wohnung lag super schön, direkt am Ozean in Richtung Westen, das heißt perfekter Blick auf den Sonnenuntergang.. und davon hatten wir zahlreiche wunderschöne direkt vom Balkon. Ich hatte zuvor noch nie in einer WG gewohnt, von daher war es eine neue Situation für mich, auf die man sich schnell einlassen muss. Ich hatte sehr liebe Mitbewohner, die alle ebenso Freiwillige aus Deutschland bzw. der Schweiz waren, also alle in der gleichen Situation, teilweise schon länger da, teilweise mit mir angekommen und das hat größtenteils sehr gut harmoniert. Natürlich hat man wie hier auch mal die ein oder anderen Probleme mit der Aufgabenverteilung, aber so ist das halt. Wir wurden täglich von der Vermieterin (die eine super lustige und liebe Frau ist) von der Wohnung abgeholt, zu den Projekten gefahren und nach der Arbeit wieder abgeholt. Danach konnten wir unsere Freizeit gestalten, wie wir wollten und besonders eine andere Mitbewohnerin und ich hatten immer Pläne und versuchten das Meiste aus der Zeit rauszuholen. Mit ihr habe ich auch eine sehr gute Freundin dazu gewonnen.
Während meines Praktikums im Krankenhaus lebte ich in einem Einzelapartment mit eigenem Bad und Gemeinschaftsküche in einer Unterkunft, die mehrere solcher und auch geteilte Appartements anbietet. Sowohl für Freiwillige, als auch für saisonale Arbeitskräfte o.ä.. Hier war ich die Einzige Deutsche, das heißt sowohl auf der Arbeit als auch Zuhause wurde englisch gesprochen, was eine sehr gute Übung war. Ich würde die Reihenfolge jederzeit wieder so wählen, da es mir schon gut getan hat, am Ende nochmal allein zu wohnen und etwas mehr meine Ruhe zu haben… möchte die Zeit in der WG aber keinesfalls missen. Ich hätte mich vorher als eine Person eingeschätzt, die in einer WG nicht so gut zurecht kommt, da ich meine Ruhe brauche teilweise, hatte daher anfangs auch überlegt, wir eigene Unterkünfte zu suchen. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich das nicht gemacht habe, da es sehr hilfreich ist, wenn man in einem Land, das man nicht kennt, wo man sicherlich auch mal Heimweh hat, Menschen um sich zu haben, die einen auch mal motivieren Aktivitäten mitzumachen, neue Dinge auszuprobieren, raus zu gehen… und nicht einfach nur in der Wohnung zu hocken, so wie man es vielleicht machen würde, wenn man sich noch unsicher ist am Anfang.
Daher würde ich sagen hatten beide Unterkünfte ihre Vor- und Nachteile, was Sauberkeit, Ruhe etc. anbelangt, ich würde es aber genau so und auch genau in der Reihenfolge für mich wieder so wählen.
Tipps für zukünftige Freiwillige und Praktikanten?
Der wichtigste Tipp meiner Meinung nach: Sei offen für alles was kommt, probiere alles aus, was sicher ist, auch wenn manche Dinge außerhalb deiner Comfort Zone sein werden, nur so wächst du – versuch so viele Ausflüge/Aktivitäten zu machen, wie es geht… nimm einfach mit einem offenen Herzen so viel mit, wie es dir möglich ist. Halte sich dabei natürlich immer an wichtige Regeln zur Sicherheit, das ist keine Frage. Aber im Rahmen dessen scheue dich vor nichts Neuem, nur weil du es nicht kennst oder fahr lieber einmal mehr an einen neuen Ort, als daheim zu bleiben, du weißt nicht was dich Schönes erwartet.
Betreuung durch das live&learn Team
Ich bin froh, dass ich unter den vielen Organisationen auf live & learn gestoßen bin, da die Unterstützung sowohl davor als auch während meiner Zeit vor Ort sehr gut war und ich mich jederzeit wohl gefühlt habe. Zuvor habe ich zahlreiche Checklisten oder andere Dokumente mit hilfreichen Tipps, Packlisten, Dokumente zur Sicherheitslage/Geschichte etc. und vieles mehr bekommen, sodass man vorher wirklich viel an die Hand bekommen hat, mit dem man sich auf seine Zeit vorbereiten konnte. Auch während den Projekten erkundigte sich Antje immer wieder, wie es mir geht und ob ich mich wohlfühle im Projekt, Zuhause etc.
Mit am Schönsten war das Treffen auf einem Markt in Muizenberg einmal im Monat mit Antje, Alex, Sina und wenn möglich allen Freiwilligen zum Austausch und einfach um einen schönen Abend zu haben, was die beiden Male, die ich da war auch sehr gelungen ist. Die Märkte in Südafrika sind eh ein Highlight für sich!
Auch die Stadttour war sehr hilfreich und informativ… alles in allem habe ich durch live&learn Informationen erhalten, die ich sonst vermutlich nicht bekommen hätte und habe mich jederzeit sicher gefühlt, da ich wusste, dass ich einen deutschen Ansprechpartner direkt vor Ort habe, sollte mal irgendetwas sein – es wurde auch mehrfach betont, dass wir uns immer mit allen Problemen an sie wenden können und das war einfach ein schöne familiäres Gefühl. Vielen Dank nochmal dafür!
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